Freiberger – ein Stück lebendes Schweizer Kulturgut
Seit 1994 setzt sich die Niederbipperin Heidi Gurtner für den Erhalt des reinrassigen Freibergerpferdes ein. Die Zucht der Pferderasse wurde um 1815 im Kanton Jura gefördert. Die Tiere wurden sowohl in der Landwirtschaft als auch als Reittiere genutzt.
Niederbipp «Die ursprüngliche Freiberger Pferderasse zeichnet sich durch seine Ruhe, Belastbarkeit, eine gute Gesundheit, eine hohe Lebenserwartung und Fruchtbarkeit aus. Ausserdem sind die Freiberger im Vergleich zu anderen Pferderassen von wenigen Erbkrankheiten betroffen», erzählt Heidi Gurtner.
Die 63-Jährige setzt sich seit 1994 dafür ein, dass die letzte noch existierende Schweizer Pferderasse erhalten bleibt. Neben ihrer eigenen Pferdezucht in Niederbipp ist sie als Pferdevermittlerin beim Eidgenössischen Verband des reinrassigen Freibergerpferdes RRFB tätig.
Auf ihrem Hof finden sich Freiberger Stuten und Hengste, welche sie aktiv zur Zucht nutzt. Dabei achtet sie darauf, dass die Urgenetik der Pferderasse erhalten bleibt.
Doch woher stammt die Pferderasse eigentlich? Der Urfreiberger wurde früher auch «Jurapferd» genannt und stammt aus dem Raum des Bistums Basel. Gefördert wurde die Zucht der Freiberger Pferde um 1815, nachdem der Kanton Jura vom Kanton Bern übernommen wurde. Über die Jahre wurden schwerer gebaute Pferde, sogenannte Kaltblüter, in die Rasse des Jurapferds eingekreuzt. Daraus resultiert die gute Eignung für landwirtschaftliche Zwecke, was damals wichtig war. Durch ihr ruhiges Naturell eigneten sich die Freiberger jedoch auch als Reitpferd für die Armee. 1950 entstand der Rassestandard des Urfreibergers, was bedeutet, dass ab diesem Jahr zu jederzeit der Urfreiberger reingezüchtet werden konnte.
«Es gibt jedoch beim Urfreiberger drei verschiedene Typen, nach denen gezüchtet wird», erklärt Heidi Gurtner. «Es gibt den schweren Typen, welcher sich insbesondere für landwirtschaftliche Arbeiten eignet, dann gibt es den mittleren Typen, für das Reiten und Ziehen von Wagen und dann den leichteren Typen, mit welchem, salopp gesagt, der reiche Bauer am Sonntag in die Kirche fuhr.»
Verdrängungszucht
Heute ist der Urfreiberger eine rar gewordene Rasse. «Obwohl der Freiberger eigentlich in meinen Augen als einzige noch existierende Schweizer Pferderasse ein lebendiges Kulturgut ist, welches sich lohnt zu erhalten.»
Der Grund für den Niedergang der Rasse begann 1950, als die Landwirtschaft zunehmend motorisiert wurde. Zugpferde wurden damals immer weniger gebraucht, weshalb beschlossen wurde, damit es schnell geht, leichte, sportliche Pferde in die Freiberger-Rasse einzukreuzen, statt über längere Zeit leichtere Freibergerpferde miteinander zu züchten. Dadurch wurde das Gen des Urfreiberges immer mehr verdrängt und die Rasse an den Rand des Aussterbens gebracht.
Seit 1950 wurden 27 Warmbluthengste und vier Vollbluthengste in die Freibergerrasse eingekreuzt. Der Urfreiberger ist reinrassig weiter gezüchtet worden, ohne diese Bluthengste.
Heute gibt es nur noch wenige reinblütige Urfreiberger und die Zucht ist ein schwieriges Unterfangen. Davon lässt sich Heidi Gurtner jedoch nicht unterkriegen. Sie schätzt die Rasse wegen ihrer Vielseitigkeit sehr. «Freiberger eignen sich sehr gut im sportlichen Bereich fürs Westernreiten, Distanzritte, fürs Einspannen vor den Wagen und sogar fürs Barockreiten. Eingesetzt werden sie auch im Militär im Train. Der Freiberger ist jedoch auch ein gutes Hausfrauenpferd – und das meine ich nicht abwertend. Die Freiberger sind ausgeglichen und ruhig, auch Kinder können das Pferd selbst reiten. Natürlich ist eine gute Erziehung und Ausbildung des Pferdes notwendig.»
Starker Charakter
Heidi Gurtner kam zum Freiberger wie die Jungfrau zum Kinde, wie sie selbst sagt. «Ich reite eigentlich bereits seit ich laufen kann», meint sie. «Später arbeitete ich Rennställen – ich liebte die Geschwindigkeit und Kraft der Pferde. Mit der Zeit habe ich jedoch gemerkt, dass ich Pferde viel zu sehr mag. Ich konnte das harte Rennbusiness nicht mehr mit meiner Tierliebe vereinbaren.»
Später hatte ihr Mann immer wieder mit Rückenschmerzen zu kämpfen, weshalb sie eine Freibergerstute kaufte, um seinen Rücken zu stärken. «Ich war damals ebenfalls oft mit dem Pferd unterwegs. Mit dieser Stute konnte ich zwischen fahrenden Panzern durchreiten, durch die Stadt, absolvierte Geschicklichkeitsprüfungen und Wanderritte. Als dann festgestellt wurde, dass das Pferd eine reinrassige Freibergerstute war, wollte ich diesen tollen Charakter erhalten und mit der Stute züchten. So nahm alles seinen Anfang.»
Sie hofft darauf, dass es in der Zukunft noch mehr Züchter gibt, welche die Arbeit des RRFB unterstützen. «Und dabei den geschichtlichen und genetischen Wert der Pferde sehen.»
Jessica Meier