Von den Briten lernen
Seit Boris Johnson Premierminister von Grossbritannien ist, schreiben ihn unsere Medien nieder. «Populistischer Clown» gehörte noch zum Harmlosesten, was man ihm anhängte. Jetzt hat dieser angebliche «Clown» von der Europäischen Union einen Brexit-Vertrag ertrotzt, der sich sehen lassen darf. Johnson hat stur der Wiedererlangung der britischen Unabhängigkeit alles untergeordnet. Und hat sie erlangt: keine automatische Rechtsübernahme und keine fremden EU-Richter. Vor allem sind die Briten die Personenfreizügigkeit losgeworden. Das Vereinigte Königreich ist wieder ein freier, souveräner Staat, der seine Grenzen kontrollieren und die Zuwanderungspolitik eigenständig regeln kann. Und es müssen keine Milliarden an Transferzahlungen mehr an Brüssel geleistet werden, keine Guillotine-Klausel ? nichts. Dennoch erhält Grossbritannien mit einem Freihandelsvertrag Zugang zum europäischen Binnenmarkt. Einen ähnlichen Freihandelsvertrag mit der EU unterhält die Schweiz seit 1973. Für die Schweiz ist es einfacher, die Unabhängigkeit zu verteidigen, denn die Schweiz hat den Vorteil, dass sie sich nie mit der EU verheiratet hat (in dieser Beziehung waren die Schweizer weitsichtiger als die Briten). Darum muss die Schweiz jetzt nicht scheiden, aber gut verhandeln. Man kann nur staunen, dass es selbst nach dem sehr erfolgreichen Brexit noch Leute gibt, die immer noch einen institutionellen Rahmenvertrag mit Brüssel abschliessen wollen. Wenn wir das täten, würde die EU in der Schweiz die Gesetze befehlen und der EU-Gerichtshof hierzulande Recht sprechen. Unser Bundesrat sollte genauso stur sein wie die britische Regierung, um die Unabhängigkeit und Demokratie zu wahren. Gerade für einen Kleinstaat gilt im Verhandeln noch immer der alte Grundsatz: «Wer am lengschte schtuur isch, gwünnt.» England hat uns das in vorbildlicher Weise vorgemacht. E gfreuti Wuche.
Christoph Blocher