Blickwinkel
Frontex tötet mehr als nur die Partystimmung
Meine WG feiert Geburtstag. In der Küche liegen leere Wein- und Bierflaschen rum, der Altglas-Korb ist voll. Das WC ist ständig besetzt. Da schläft oder übergibt sich womöglich einer drin, oder ich versuch's einfach immer zum falschen Zeitpunkt. Im Wohnzimmer spielen sie Beerpong. Ein Becher wird mit dermassen viel Wucht getroffen, dass er umkippt und sich der Inhalt auf den Boden leert. Der Teppich saugt das meiste auf, der Rest wird mit dem Lappen, der seit der letzten WG Party auf der Heizung liegt und auf seinen Einsatz nur gewartet hat, aufgenommen. Eklig, denk ich und geh auf den Balkon, geputzt wird morgen. Der Balkon wäre genug gross für 2, rauchen tun aber 6 und ich will auch noch. Die Autos, die unter uns über die verregnete Aarauerstrasse fahren, machen einen Mordsdonnerlärm, trotzdem finden hier draussen die relevanten Gespräche statt. Während ich den Tabak in meinem Zigaretten-Papier rolle, höre ich zu wie eine Freundin argumentiert, wir könnten bei einem Nein zu Frontex nicht mehr so einfach Herumreisen wie gewohnt. Wegen Schengen und so, sagt sie. Ich zünde meine Zigarette an und reg mich auf. Ständig wird über Schengen und kaum über Frontex, worum es in der Abstimmung tatsächlich geht, geredet. Es geht um Grundrechte und Menschenleben. Frontex tötet. Die Schweiz ist seit 13 Jahren daran mitbeteiligt und wir müssen jetzt entscheiden, ob sie das weiterhin sein soll oder nicht. Wir müssen unsere Ressourcen statt in diese menschenrechtsverletzende Agentur, in die Schaffung einer sicheren Migration investeren. Wir müssen gewaltvolle Abschiebungen und illegale Pushbacks stoppen, Migration entkriminalisieren und Europas Aussengrenzen entmilitarisieren. Wir müssen jetzt ein Zeichen setzen und gegen die Finanzierung von Frontex einstehen. Was wir nicht müssen, ist Angst um unseren Wohlstand haben. Für dass es uns gut geht und wir unbekümmert reisen können, müssen nämlich keine Menschen sterben. Die Freundin gibt mir Recht, ich bin frustriert, werf meinen Stummel in den Aschenbecher und brauch Ruhe. Das gute an WG Parties ist, dass mein Bett immer nur wenige Schritte entfernt ist. Durch die Wand höre ich die Musik immer noch, auf Party hab ich aber keinen Bock mehr.
Simea Fürst, Junge SP Olten