«Müssen klar aufzeigen, weshalb Investitionen sinnvoll und notwendig sind»
Oltens Stadtpräsident Thomas Marbet im Interview
Seit dem letzten Sommer hat Olten mit Thomas Marbet einen neuen Stadtpräsidenten. Im Interview spricht er über geplante Investitionen, geforderte CO2-Reduktionen, ein noch zu optimierendes Parkleitsystem, leere Wohnungen und mehr.
Thomas Marbet, seit einigen Monaten sind Sie einerseits neu der oberste Chef von über 200 Mitarbeitenden der Stadtverwaltung, anderseits der erste Angestellte von rund 19‘000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Sind Sie lieber Chef oder Angestellter?
Rein organisatorisch betrachtet bin ich nur der Vorgesetzte des Stadtschreibers und des Rechtskonsulenten. Ich interpretiere das Amt aber mehr als Diener für die Gesamtheit der Ansprüche, welche an die Stadt gestellt werden. Den Bedürfnissen der Bevölkerung, der Wirtschaft, der Kultur, des Personals und mehr gilt es Rechnung zu tragen. Es ist eine schöne und anspruchsvolle Aufgabe. Wenn man 19‘000 Chefs hat, weiss es aber bekanntlich immer jede und jeder besser als man selbst (schmunzelt).
Wie hat sich das neue, verjüngte Stadtratsgremium eingelebt?
Wir sind gut in die neue Legislatur gestartet; der Workshop auf dem Rumpel, einige Wochen vor der eigentlichen Arbeitsaufnahme, hat diesbezüglich sicher geholfen. Dort haben wir bereits das Regierungsprogramm vorbesprochen. Die Direktionszuteilungen konnten relativ zügig erfolgen und die beiden neuen, jungen Stadtratskollegen konnten sich gut ins neue Amt einleben. Klar, man merkt den Altersunterschied ein wenig, auch wenn ich mit meinen 54 Jahren nur der Drittälteste im Gremium bin (lacht). Nils Loeffel und Raphael Schär-Sommer sind erwartungsgemäss technologieaffin; entsprechend bringen sie diesbezüglich auch neue Inputs in den Stadtrat ein.
Im Januar 2021 hat sich der Stadtrat das Netto-Null-CO2-Ziel 2040 für die Stadtverwaltung gesetzt; bereits bis 2029 soll der CO2-Ausstoss halbiert werden. Können Sie einige konkrete Beispiele nennen, welche 2021 umgesetzt wurden, um einen Schritt in Richtung der erwähnten Ziele zu tätigen?
Wir haben ein neues Kehrichtfahrzeug mit einem elektrischen Pressaufbau angeschafft und der WC-Wagen sowie ein Kommunalfahrzeug sind neu elektrisch unterwegs. Auch Laubbläser, Kettensägen und mehr werden im Werkhof laufend durch elektrisch betriebene Geräte ersetzt. In planerischer Hinsicht erfolgt im Frühling der Spatenstich für das neue Schulhaus Kleinholz, welches nach dem «Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz» gebaut wird. Zudem wird beim Stadthaus die Machbarkeit für das Blockheizkraftwerk geprüft, bei welchem aktuell noch mit Gas geheizt wird, wir jedoch auf eine klimafreundlichere Variante wie Wärmepumpe oder Holzschnitzelheizung umsteigen wollen. Die digitalen Parlamentssitzungen sorgten über die Kantonsgrenzen hinaus für Interesse.
Womit erregte die Stadt im Jahr 2021 sonst überregional positives Aufsehen?
Weit zurück muss man nicht schauen: Das Adventsdorf erfreute sich grosser Beliebtheit. Aber auch das «International Photo Festival Olten» ist jeweils beste Werbung und wird von den nationalen Medien aufgegriffen.
Welches waren 2021 Ihre weiteren Highlights in Olten?
Natürlich die erfolgreiche Schulhausabstimmung an der Urne, aber auch, dass es mit dem Ländiweg nun endlich vorwärtsgeht – auch wenn der Zusatzkredit nicht allen gefiel. In kultureller Hinsicht habe ich mich sehr über die Jahresausstellung der Solothurnerinnen Künstlerinnen und Künstler im Kunstmuseum erfreut, welches dem Schaffen in der Region eine angemessene Plattform bietet. Ebenfalls ganz toll fand ich die Eichhörnchen-Ausstellung im Haus der Museen.
Im Juli nahm das seit vielen Jahren geforderte Parkleitsystem seinen Betrieb auf. Wie sind Sie bisher damit zufrieden?
Ich bin in der Tat noch nicht zufrieden damit, da wir noch nicht alle Daten der privaten Parkhäuser erhalten. Wir sind stets darum bemüht, diesen Umstand zu verbessern. Zum Teil haben die Verwaltungen gewechselt; bei der neuen Verwaltung heisst es dann: «Wir wissen nichts davon», obschon wir einen unterschriebenen Vertrag haben. Obwohl es eigentlich keine allzu grosse Sache wäre, zieht sich das Ganze dadurch in die Länge.
Mit Stichtag 1. Juni 2021 befand sich der Leerwohnungsbestand in Olten bei rekordverdächtigen 3.5%. Was kann die Stadt unternehmen, damit diese Quote künftig wieder sinkt?
Die aktuelle Situation in Olten Südwest trägt sicherlich dazu bei. Um die Quote zu senken, wäre es hilfreich, alle Stadtteile gut an die Innenstadt anzubinden. Im Falle von Olten Südwest wäre dies entsprechend mit der Stadtteilverbindung Hammer der Fall. Aber dies erfordert natürlich auch den Support von Parlament und Bevölkerung.
Die Stimmbevölkerung hat sich 2021 deutlich für die bereits erwähnte neue Schulanlage Kleinholz ausgesprochen. Deuten Sie dies mit Blick auf weitere geplante Projekte (Kunstmuseum, Personenunterführung Hammer, etc.) als generelles «Ja» der Oltner Bevölkerung zu mehr Investitionen?
Ich denke schon, dass wir verständlich machen konnten, dass wir beim Werterhalt an verschiedenen Stellen ein wenig im Rückstand liegen. Am Ende müssen die bevorstehenden Projekte aber eigenständig betrachtet werden. Eine positive Bereitschaft dürfte vorhanden sein, was aber nicht automatisch einen Freipass für alle Vorhaben wie den neuen Bahnhofplatz, das Kunstmuseum, das Stadttheater oder die Stadthalle bedeutet. Wir müssen klar aufzeigen, weshalb die Investitionen sinnvoll und notwendig sind.
Die Bewohnerinnen und Bewohner von Olten gewöhnen sich langsam daran, dass die Stadt Anfang Jahr kein rechtskräftiges Budget hat. Der Ausnahmezustand ist keine Ausnahme mehr. Wie lässt sich dem künftig entgegenwirken?
Ich habe mich an der Parlamentssitzung darum bemüht, dass sich eine Kompromisslösung finden lässt – leider ohne Erfolg. Das gegenseitige Zuhören hat mir ein wenig gefehlt, das Verständnis für die gegenüberliegende Position. Stattdessen lehnt man sich zurück und sagt: «Hier ist meine rote Linie und diese wird nicht überschritten.» So lässt sich auch privatrechtlich kein Streit schlichten. Im Zeitraum der letzten fast 50 Jahre betrachtet, in welchem Olten über eine ausserordentliche Gemeindeorganisation mit Parlament verfügt, ist es so gut wie nie vorgefallen, dass die Stadt Anfang Jahr ohne Budget dastand. Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Es ist für die Verwaltung kein schöner Zustand, notwendige Bestellungen nicht tätigen zu können und auch sonst eingeschränkt zu sein. Wir kaufen ja nicht zum Spass ein Feuerwehrfahrzeug oder Jugendbücher ein; alles hat seinen Nutzen. Es gäbe eine Möglichkeit, das Budget dem fakultativen Referendum zu entziehen, damit das Stimmvolk nur noch über den Steuerfuss mitentscheiden könnte und somit Anfang Jahr jeweils ein rechtskräftiges Budget vorliegen würde. Dazu müsste aber die Gemeindeordnung angepasst werden; eine solche Veränderung muss also gut überlegt sein.
Zum Schluss: Was wünschen Sie Olten für das Jahr 2022?
In erster Linie wünsche ich allen viel Gesundheit. Gleichzeitig hoffe ich, dass sich die Bedingungen wieder zum Besseren wenden und wieder mehr Veranstaltungen – insbesondere die Chilbi – durchgeführt werden können, damit wieder vermehrt Begegnungen möglich sind.
Interview: David Annaheim