«Über sich selbst zu lachen finde ich sehr befreiend»
Am 21. Januar feiert Slam Poet Kilian Ziegler mit seinem Programm «99 °C – Wortspiele am Siedepunkt» in Olten Premiere. Was das Publikum erwarten kann, erzählt der 38-Jährige im Interview.
Kilian Ziegler, in wenigen Tagen treten Sie mit Ihrem neuen Programm «99 °C – Wortspiele am Siedepunkt» in der Oltner Schützi auf. Mit welchen Zutaten wollen Sie das Publikum dennoch zum Kochen bringen?
Meine Hauptzutaten sind der Humor und, wie der Titel schon verrät, die Wortakrobatik. Als Beilage gibt es scharfe Alltagsbeobachtungen, abgeschmeckt mit Selbstironie und Augenzwinkern und als Topp-ing etwas Musik und Power-Point. Das Ganze heiss serviert und fertig ist die – hoffentlich feine – Show. Inhaltlich handelt das Programm von jenen Situationen, in denen es im Leben brodelt, und zwar in der grossen weiten Welt wie auch im Kleinen, Privaten. Natürlich humorvoll und pointiert, aber verbunden mit der nötigen Portion Ernst und Nachdenklichkeit.
Wie muss man sich bei Ihnen den Entstehungsprozess eines Programmes vorstellen? Sperren Sie sich während einiger Wochen in ein Zimmer ein und setzen sich an den Schreibtisch oder ist das Programm über einen längeren Zeitraum entstanden?
Ein Programm zu entwickeln, ist ein längerer Prozess. Von der ersten Idee bis zur Premiere liegen mehrere Monate. Zu Beginn sammle ich vor allem Ideen, Pointen, Wortspiele und Skizzen. Diese verdichten sich dann immer mehr zu Texten und Geschichten, wobei der intensivste Teil der Arbeit in den letzten drei bis vier Monaten vor der Premiere ansteht. Vor allem der Monat vor der Premiere ist äusserst belastend und stressig – aber wenn man dann endlich mit dem neuen Material auf der Bühne steht, ist es ein unbeschreiblich gutes Gefühl.
Heute ist die Hauptprobe in Eglisau, bevor nächste Woche die eigentliche Premiere in Olten stattfindet. Vor welchem Auftritt ist die Nervosität grösser? Und gibt es bei Ihnen so etwas wie Angst vor dem Scheitern, vor Pointen, die im Publikum nicht ankommen?
Die Premiere ist natürlich schon um einiges wichtiger, dort gilt es ernst, ausserdem ist es ein Heimspiel, daher wird die Nervosität dort schon um ein Zigfaches höher sein. Beim «Try-Out» heute ist Scheitern durchaus erlaubt und ich werde so viel wie möglich ausprobieren. Danach werde ich nächste Woche im Schlussspurt noch einiges anpassen, kürzen und verdichten. Dass Pointen zu Beginn einer Tour nicht ankommen, das kann natürlich passieren und ist auch nichts Schlimmes. Dann werden diese einfach für die folgenden Auftritte gestrichen, womit sich ein Programm von Show zu Show stetig weiterentwickelt und wächst.
Wird es mit fortschreitender Berufserfahrung einfacher, neue Nummern zu schreiben, da die Routine vorhanden ist, oder schwieriger, da man sich mit den Wortspielen ja nicht wiederholen will?
Da meine Ansprüche an mich selbst steigen, wird es tatsächlich schwieriger. Es wäre langweilig, sich zu wiederholen und immer wieder auf die gleichen Maschen und Muster zurückzugreifen. Die Herausforderung liegt unter anderem darin, aus der Komfortzone auszubrechen und Neues auszuprobieren. Obwohl das neue Programm sicher typisch Kilian Ziegler sein wird, dürfte es auch die eine oder andere Überraschung bereithalten.
Auch lustig sein ist eine Büez; Einkommen erfordert Einsatz. Nebst Ihren «normalen» Bühnenauftritten moderieren Sie Events, haben Gigs beim SRF – demnächst beim Spasspartout – und treten mitunter bei Firmenanlässen und Diplomfeiern auf. Können Sie sich Ihre Auftritte mittlerweile aussuchen?
Glücklicherweise schon, ja. Ich liebe es aufzutreten und ich versuche, möglichst viel auf Bühnen zu stehen, mein Kalender ist übervoll momentan. Aber durch meine Erfahrung habe ich gelernt, dass es auch Situationen, Anlässe und Zeitpunkte gibt, bei denen es mir mehr bringt, wenn ich nicht zusage. Ich bin in einer sehr privilegierten Situation und profitiere jetzt davon, dass ich nun seit fünfzehn Jahren schier nonstop auf der Bühne stehe.
In «Deville Late Night» haben Sie einst quasi die Rolle des «Strafverteidigers» für Olten übernommen und auch sonst tragen Sie mit Ihren Auftritten zur Imagepflege der Stadt bei. Wurde die Bewerbung für die offene Stelle des Präsidiums von Olten Tourismus bereits eingereicht?
Angebote nehme ich sehr gerne entgegen, her damit! Aber im Ernst: Ich bleibe lieber inoffizieller Aussenbotschafter und werbe für die Dreitannenstadt von der Bühne aus. Ich merke immer wieder, dass man in den verschiedenen Deutschschweizer Ecken Olten als Kulturstadt kennt und durchaus schätzt. Ich mag es aber auch, unsere Stadt auf die Schippe zu nehmen, Selbstironie ist eines meiner liebsten Instrumente, über sich selbst zu lachen finde ich sehr befreiend.
Zu guter Letzt: In den 2000er-Jahren waren Sie Mitglied der Hip-Hop-Band Dropalicious und haben auch eine EP herausgebracht. Online ist nur noch ein einziges Exemplar für knapp 8 Euro auffindbar. Wann gibt es die Rap-Renaissance des Kilian Ziegler?
Oh, das ist aber sehr lange her, das habe ich beinahe schon verdrängt. Mal abgesehen davon, dass 8 Euro natürlich lächerlich wenig sind, ein Schnäppchen, sozusagen, kann sich meine immens grosse Hip-Hop-Anhängerschaft von damals freuen: Es gibt im neuen Programm ein paar Rap-Passagen. Aber zum Glück sind es nur wenige (lacht).
Interview: David Annaheim