Stadtbibliothek Olten: Zeit, über die Bücher zu gehen
Im vergangenen Jahr wurde die Stadtbibliothek aufgewertet; eine Grundsatzdiskussion über deren Zukunft ist dennoch notwendig
Die Resultate der vom Stadtrat in Auftrag gegebenen und 2018 von der Hochschule für Technik und Wissenschaft Chur durchgeführten Studie über die Stadtbibliothek Olten waren eindeutig: Langfristig ergibt der aktuelle Standort in der Altstadt keinen Sinn für den Betrieb einer modernen Bibliothek, genauso wenig wie die Trennung von Stadt- und Jugendbibliothek. Was seither geschah und was in naher Zukunft passieren sollte.
Olten Eine hohe Kundenzufriedenheit, welche sich aus dem kompetenten Personal und der guten Medienauswahl zusammensetzt, war mitunter der grösste Pluspunkt, welcher die Studie der HTW Chur der Oltner Stadtbibliothek zugutehielt. Nicht umsonst erfreut sich diese einer überdurchschnittlich ausleihfreudigen Stammkundschaft, sprich einer hohen Ausleihrate pro Person. Die Liste der Schwächen, welche die Studie zu Tage brachte, war indes mehr als doppelt so lang. Beispiele? Der Auftritt nach aussen sei ungenügend (Homepage, abweisende Haupteingangstüre, etc.) und die Raumverhältnisse am aktuellen Standort seien für eine moderne Bibliothek ungeeignet, da eine Bibliothek des 21. Jahrhunderts mehr bieten müsse als nur eine reine Medienausleihe, um Besucherinnen und Besucher anzulocken. Zudem seien auch die Öffnungszeiten zu verlängern und die personellen Ressourcen zu erhöhen. Und: Es wurde angeraten, vom Profil einer «Studien- und Bildungsbibliothek» wegzukommen und sich als «allgemeine öffentliche Bibliothek» für die Stadt und die Region Olten zu positionieren, da Olten mit der FHNW-Bibliothek mittlerweile eine wissenschaftliche Bibilothek habe, die primär zu Studienzwecken dient.
Auf das klare Urteil der Studie hin stellte der Stadtrat in Aussicht, dass im Hübelischulhaus Stadt- und Jugendbibliothek dereinst vereint werden sollen. Als Überbrückung wurden beim derzeitigen Standort der Stadtbibliothek im vergangenen Jahr Erneuerungen für rund 125 000 Franken durchgeführt. Die schwarze «Kerkertüre» beim Eingang wurde durch eine freundlichere Glastür ersetzt, 60 000 Medien wurden mit einem Chip für die neuen Selbstverbuchungs-Stationen versehen und auch die Möblierung wurde aufgepeppt. Vor wenigen Wochen ging zudem der Instagram-Kanal der Bibliothek online. Das Bestreben, präsenter zu werden, ist vorhanden.
Das Hauptproblem, die ungünstigen Raumverhältnisse, bleibt jedoch bestehen. Um sich als sogenannter «3. Ort», das heisst als Ort, in dem man nebst dem Zuhause und der Arbeitsstelle seine Zeit verbringt, zu etablieren, fehlt der Platz. Dafür wäre das Hübelischulhaus besser geeignet. Wann und ob die Oltner Bibliotheken jedoch ins Hübeli ziehen, ist unklar. Das Schulhaus wird voraussichtlich Ende 2024 für eine neue Nutzung frei, im Investitionsplan 2021-2027 der Stadt taucht allerdings kein Bibliotheksprojekt auf.
Umliegende Bibliotheken: mehr Ertrag oder weniger Aufwand
Dass die Zukunft der Oltner Bibliotheken möglichst zeitnah geklärt werden sollte, zeigt der Vergleich mit umliegenden Bibliotheken. Diese sind entweder wesentlich ertragreicher oder verursachen geringere Nettokosten. Natürlich muss eine Bibliothek nicht selbsttragend sein, schliesslich soll die Möglichkeit gegeben werden, zu günstigen Konditionen zu Lesestoff zu kommen. Dass Aufwand und Ertrag in Olten nicht stimmen, zeigt etwa der Vergleich mit Aarau. Die jährlichen Nettokosten (Fr. 937 300.-) sind dort zwar leicht höher als jene für die Oltner Stadt- und Jugendbibliothek (Fr. 856 200.-, Quelle: Gemeindebudget 2021). Der Ertrag in Aarau (knapp 400 000.-) fällt jedoch um ein Vielfaches höher aus; in Olten sind es gerade einmal 55 000 Franken (siehe Grafik). Oder anders ausgedrückt: Aufwand und Ertrag stehen in Aarau im Verhältnis 3,5 zu 1; in Olten 16,5 zu 1. Das liegt mitunter daran, dass die Stadtbibliothek Aarau wesentlich mehr Veranstaltungen durchführt, Synergien besser nutzt, da die Kinder- und Jugendabteilung in der Stadtbibliothek integriert ist, und auch andere Mehrwerte, wie zum Beispiel ein Escape Room, angeboten werden. Aufgrund des höheren Ertrags kann sich Aarau dementsprechend 800 Stellenprozente leisten, während es in den Oltner Bibliotheken nur 450 Stellenprozente sind.
Noch besser als Aarau macht es, was Aufwand und Ertrag betrifft, Langenthal: Die Nettokosten der Regionalbibliothek belaufen sich für die Oberaargauer Stadt auf 429 000 Franken. Aufwand und Ertrag stehen im Verhältnis 2,3 zu 1. Rund zwei Drittel des Gesamtertrags von 330 000.- stammen dabei aus Beiträgen vom Kanton Bern und den umliegenden Gemeinden.
Solothurn zahlt weniger als halb so viel
Auch Solothurn kann jährlich einen wesentlich tieferen Bibliotheks-Aufwand als Olten und Aarau verzeichnen. Der Betrag fällt niedrig aus, weil die Stadt keine eigenständige Bibliothek betreibt. Die Zentralbibliothek wird grösstenteils durch Gelder vom Kanton finanziert (2,7 Mio.), um die Aufgaben rund um die Sondersammlungen mit historischen Beständen zu erfüllen und die in und um den Kanton entstandenen Medien zu sammeln. 750 000 Franken steuern die rund 40 Beitragsgemeinden aus der Region bei, welche den allgemein-öffentlichen Bereich mitfinanzieren, wobei die Stadt Solothurn 415 000 Franken beisteuert. Ausleihgebühren fallen bei der Zentralbibliothek übrigens keine mehr an, seit die Bibliothek Ende 2020 dem Bibliotheksverbund «Swisscovery» beigetreten ist.
Wohin des Weges?
Andere Städte in der Region locken entweder mehr Gäste in die Bibliothek oder haben niedrigere Nettokosten als es in Olten der Fall ist. Bereits in der Studie der HTW Chur wurde ein regionaler Verbund als eine sinnvolle Option für Olten erwähnt. Ein schlagkräftiges Argument, um umliegende Gemeinden von einer Zusammenarbeit zu überzeugen, gibt es zumindest schon: Rund die Hälfte der Besucherinnen und Besucher der Oltner Bibliotheken sind Auswärtige. Mit einem Zusammenschluss von Stadt- und Jugendbibliothek und einer regionalen Zusammenarbeit könnte die Stadt jährlich mehrere hunderttausend Franken einsparen. Oder das Angebot könnte bei gleichbleibenden Nettokosten für die Stadt ausgebaut werden, um dem Namen «Literaturstadt» gerecht zu werden.
Von David Annaheim